Nach dem vielseits gelobten Mitgliedervotum der bayerischen SPD für den Landesvorsitz stand nun die Wahl beim Landesparteitag an. Natascha Kohnen, die mit fast 54 % ihre Mitkonkurrenten überrundet hatte, wurde von den Delegierten mit rund 88 % bestätigt. In einer kurzen und persönlichen Antrittsrede vermochte sie das Auditorium von ihrem engagierten Vorhaben, die Bayern-SPD wieder mehr nach vorne zu bringen, zu überzeugen. Sich nicht nur an der CSU abzuarbeiten, meinte sie, sondern mit mehr eigenen Themen kraftvoll Schwerpunkte zu setzen und an die Öffentlichkeit zu bringen.
Wichtigster Schwerpunkt ist die soziale Gerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass im reichen Bayern ein beachtlicher Anteil an Menschen ausgegrenzt unterhalb der Armutsgrenze leben muss. Im Sozialbericht von Bayern ist diese Tatsache ausdrücklich zu lesen, wird aber gerne von der Ministerin Müller unter den Tisch gekehrt. Es kann ebenfalls nicht sein, so Kohnen, dass Tausende von Eltern bzw. Müttern Schlange stehen, um einen Kitaplatz für ihre Kinder zu ergattern und es dann doch nicht schaffen. Es kann nicht sein, dass viele unserer Schulen herunterkommen und außerdem der schulische Erfolg der Kinder vom sozialen Status der Eltern abhängt. Und es kann nicht sein, dass Tausende von Polizisten erst entlassen werden und man dann die Innere Sicherheit im Lande vermisst. Viel Applaus bekam sie für den Satz "Bayern hatte nie eine Leitkultur und wir nie eine brauchen". Bayern ist ein buntes Land mit Gegensätzen, einer großen Vielfalt von Sprachen und Dialekten, verschiedenen Traditionen und religiösen Ausrichtungen. Das Land hat über alle Zeiten immer fremde Menschen aufgenommen. Dafür braucht es auch heute sozialen Zusammenhalt und kein Angstverbreitung. Es gibt zwei Möglichkeiten, mit Angst umzugehen: man kann Ängste schüren, was oft Gewalt erzeugt oder Ängste nehmen durch soziale Sicherheit. Die SPD ist aufgerufen, Sicherheit durch sozialen Zusammenhalt zu schaffen.
Als Stellvertreter im Landesvorstand war Martin Burkert, MdB mit 52 Jahren der Älteste. Marietta Eder, Gewerkschaftssekretärin, 41 Jahre, Carsten Höllein, 42 Jahre und Johanna Uekermann 29 Jahre wurden überzeugend stark gewählt. Uli Grötsch, Polizeibeamter aus Tirschenreuth, 41 Jahre profilierte sich mit einer engagierten Rede als Nachfolger nach Natascha Kohnen als Generalsekretär und wurde mit einem überzeugenden Ergebnis gewählt.
Eine Überraschung stellte für viele Delegierte der Bericht von Markus Rinderspacher über die zurückliegende Fraktionsarbeit und die die kommenden Ziele dar, den wohl niemand bisher so flammend, hoch emotional und engagiert hat reden hören. Mein Gedanke war: warum nicht schon immer so!?
Rückblickend kann man mit Fug und Recht sagen, dass die Bayern SPD jünger und weiblicher geworden ist. Und wenn alle Beteiligten so powerful in der nächsten Zeit weiter arbeiten und überzeugen und die Aufbruchstimmung sich auch auf die Mitglieder und Sympathisanten überträgt, kann für die kommenden Wahlen eine bessere Zeit für die SPD anbrechen.
Martin Schulz konnte mit seiner mitreißenden und überzeugenden Rede die Delegierten und die TV-Seher im Livestream zu hundert Prozent mitnehmen. Kein Politikfeld wurde ausgelassen und wie immer hat er die Grundlage für Überzeugungsarbeit und Diskussionen in der Nachbarschaft, an der Arbeitsstelle, in der Familie und auch bei politischem Gegner geschaffen. Mehr von dieser Art Reden in NRW hätte möglicherweise die Ergebnisse anders aussehen lassen. Viele von uns stellten sich auch hier die Frage, warum er kein Podium für Auftritte bekommen hatte oder nicht hat wahrnehmen wollen. Die neue bayerische SPD-Spitze und wir an der Basis werden Martin Schulz in den wenigen Monaten, die bleiben, voll unterstützen.
Nella Döbbelin