Wir feiern 75 Jahre Grundgesetz - Demokratie - Freiheit - Menschenwürde. Einladung von Bildung evangelisch für das Verfassungsfest in KREUZ+QUER - Haus der Kirche Erlangen. „Der Wert des Grundgesetzes in Zeiten der Anfechtung“ war der Titel für die Festrede.
Gesetz - ein trockenes Thema, bei dem die Zuhörer nach wenigen Sätzen die übliche Ermüdung überfällt? Keinesfalls bei Prof. Dr. Heribert Prantl, der es verstand, mit einer gelungenen Mischung aus Historie und Gegenwart alle mitzunehmen, ja mitzureißen. Dabei spielte seine klare und gut verständliche Sprache eine ebenso wesentliche Rolle wie sein spürbares Herzblut, mit dem er Grundgesetz und Demokratie verteidigt. Im Zentrum stand und zog sich wie ein roter Faden durch seine Ausführungen der Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt. „Dieser Satz ist das Fundament der Republik, er ist die Basis unseres Gemeinwesens; er ist die Grundlage unseres demokratischen und rechtsstaatlichen Lebens. Er gilt jeden Tag für jede Begegnung mit Menschen.“, so Prantl. Nichts und niemand kann diesen Artikel 1 ändern! Angesichts der aufkommenden Rechtsbewegungen ein dringendes Anliegen, ja, eine Mahnung an alle Demokratinnen und Demokraten, keine Aushöhlung, keine Angriffe darauf zuzulassen. Prantl weiter: „Die Menschenwürdegarantie ist nämlich der Kern der Verfassung; dieser Kern soll, das besagt die sogenannte Ewigkeitsklausel, unantastbar sein und unantastbar bleiben.“ Dafür gibt es keinen Konjunktiv, kein Gutdünken, keinen Vorbehalt. Daraus resultiert in erster Linie auch die Konsequenz, Neonazis die Wählbarkeit abzuerkennen. Das ist ebenfalls, als Personenschutz, in den zwei Artikeln 18 und 21 geregelt, für den Widerstand gilt Artikel 20. Vor allem die Grundrechte des Grundgesetzes, beschrieben in den Artikeln 1-19, sind unsere Begleiter im Alltag, Teil jeder individuellen Lebensordnung, oft kaum spürbar, weil selbstverständlich. Auch deshalb gehört das Grundgesetz „zum besten, was den Deutschen in ihrer Geschichte passiert ist“ konstatierte Prantl. Hatte er eingangs unsere Verfassungen seit 1848/49 mit der Verschiedenheit von Liebesbriefen verglichen, so wünschte er sich zum Schluss für den tragenden Leitgedanken der unantastbaren Menschenwürde: „Wenn ich ein Komponist wäre, würde ich eine Symphonie schreiben über diesen Satz. Dieser Vortrag heute ist meine Symphonie.“ Wir waren Zeuge einer wahrlich klangvollen Symphonie geworden: laut, leise, eindringlich, impulsiv, con fuoco. Stehende Ovationen, lang anhaltender Applaus für diesen begnadeten Wortkomponisten.